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: Schily droht, Klinsmann lobt

Das Spiel von Celje hat traurig gezeigt: Nicht nur sportlich könnte Deutschland bei der WM Probleme bekommen

Man musste schon zweimal hinhören – und konnte seinen Ohren doch noch immer nicht trauen. „Das tut uns sehr, sehr Leid, dafür schämen wir uns“, sprach der blonde Mann in Kameras und Mikrofone – und für einen Augenblick wusste man nicht, ob Jürgen Klinsmann tatsächlich noch Jürgen Klinsmann war. Er war und ist es! Denn mit seiner Kritik treffen wollte der Bundestrainer nicht etwa seine Bundeskicker, die gerade mit Ach und Krach und noch mehr Glück mit 1:0 gegen Slowenien gewonnen hatten, sondern jene rund 100 deutschen Randalierer, die das Spiel in Celje genutzt hatten, um ihrem dümmlich-tumben Hobby nachzugehen. In der kleinen Stadt gingen bereits vor der Partie deutsche und slowenische Hooligans aufeinander los, Fäuste flogen, Steine ebenso. Außerdem gingen Schaufensterscheiben zu Bruch, wurden Autos beschädigt und zwei Polizisten verletzt. 15 Monate vor Beginn der WM im eigenen Land hat ein Freundschaftsspiel in Celje brutal vor Augen geführt, dass sich nicht nur die Fußballer dieser Erde auf das große Turnier vorbereiten, sondern jene, die man Hooligans nennt, schon auch. Und wenn man es wie Klinsmann machen und alles so rosarot positiv sehen wollte, müsste man nach diesem traurigen Samstag wohl sagen: Wenigstens weiß man jetzt, was Deutschland mit der WM auch erwartet – und dass man sich auch darauf vorbereiten muss. Otto Schily, der Bundesinnenminister, hat das Signal von Celje jedenfalls verstanden und sogleich versprochen, dass die Polizei dafür sorgen werde, „dass diese Schlägertrupps das schönste Fußballfest der Welt nicht kaputtmachen.“

So ist ein sportlich ohnehin schon unbedeutendes Spiel in seiner sportlichen Bedeutung noch weiter in den Hintergrund getreten. Festzuhalten bleibt eigentlich nur, dass die deutsche Mannschaft solche Partien schon immer abgeliefert hat – und sie es ganz offensichtlich auch nach wie vor tut, dank Klinsmann nur mit etwas mehr Brimborium. Dass der Schönredner aus dem Schwabenland selbst diesem Jammerkick Gutes zu entnehmen wusste, musste ohnehin erwartet werden. „Wir nehmen mit Sicherheit einige Erfahrungswerte mit, die wichtig und interessant sind. Dennoch habe ich der Mannschaft für ihr Engagement und ihre Hartnäckigkeit, in so einer zerfahrenen Partie weiter den Rhythmus zu suchen, ein Lob ausgesprochen“, sagte der Bundestrainer und erfüllte damit die in ihn gesetzten Erwartungen denn auch vollauf.

Ganz unschuldig am ungeordneten Gekicke der Seinen ist Klinsmann ohnehin nicht. Gleich neun neue Spieler im Vergleich zum durchaus passablen 2:2 gegen Argentinien, dazu die Systemumstellung auf das Spiel mit drei Stürmern – das kann dem Spielfluss nun mal nicht dienlich sein. Und selbst wenn man solcherlei Experimentierlust klinsmännisch, also positiv sehen wollte, müsste man feststellen: Man kann es auch übertreiben. So brachte Celje neben aller Randale eigentlich nur zwei Erkenntnisse: Lukas Podolski trifft auch in der Nationalmannschaft – und Oliver Kahn ist nach wie vor die unumstrittene Nummer eins. FRANK KETTERER